2. Dezember 2017

nach Valencia: mit dem Flamingo tanzen

Oropesa del Mar. Es war eine kühle Nacht in meinem Bungalow. Die Heizung hat zwar eifrig gebrummt, aber es wurde nicht warm. Am Morgen habe ich die Ursache dann entdeckt: Der Lüftungsklappe war zu und so wurde nur das Heizungsgehäuse warm, meine Wohnung aber nicht.
Ausserdem ist heute bewölkt. Das erste Mal seit vielen Wochen, erzählen die Leute ganz begeistert. Ein schwacher Trost  für mich.

Gegen Mittag radeln wir ins vier Kilometer entfernte Ortszentrum. Neben den vielen Hotels gibt es hinter dem Bahnhof auch noch eine kleine Altstadt. Rund um den hübschen Dorfplatz gibt es einige Cafés. Wir setzen uns in den nicht vorhandenen Schatten blattloser Platanen und geniessen den Urlaub. Zwischendurch scheint die Sonne, dann wälzen sich wieder graue Wolken über den Himmel.


Eine geröllige Burgruine bildet den Höhepunkt von Oropesa. Sie steht auf einem kargen Hügel mitten in der Altstadt. Von da oben kann ich die ganze Landschaft überblicken. In der Ferne sehe ich die Ferienklötze, wo ich wohne.
Die Altstadt ist recht hübsch und sehr spanisch. Doch rund herum stehen lauter Wohnblocks von fragwürdiger Ästhetik.

In einem Strandlokal futtern wir den Tagesteller: Salatteller, grüne Bohnen mit Schinken. Und dann muss ich mich zwischen Tintenfisch oder Hühnerschenkel entscheiden – und mag heute beides nicht. Bestelle dann aber das gebratene Hühnerbein, weil es mit Gemüse und Pommes Frites serviert wird. Und das mag ich.

Manchmal ist es wolkig, dann wieder windig oder himmelblau und warm. Entweder bin ich zu warm angezogen oder friere jämmerlich − Erkältungswetter! Am Strand badet ein einziger Mann und einer fährt mit so einem Kite-Buggy herum. Mich fröstelt.

In der Abenddämmerung pedalen wir nachhause. Im Nachbar-Camping ist heute Flamenco-Abend. Oder Flamingo-Abend? Ich hab’s nicht recht verstanden; aber heute müssen die Vögel ohne mich tanzen…

30. November 2017

nach Valencia: Ferien im Rentner-Paradies

Oropesa del Mar. Für die nächsten Tage wohne ich nun hier auf dem Camping in meinem Bungalow „Playa“. Eigentlich ist das ja bloss eine hölzerne Gartenlaube mit tristen Möbeln und einem Plastik-Bad – eigentlich wie in einem Wohnmobil. Aber es ist urgemütlich und ich fühle mich richtig hier wohl.

Heute will ich ausschliesslich nichts machen. Was mir − das kann ich jetzt schon sagen – auch recht gut gelingt.
Ein Restaurant ganz in der Nähe hat heute Paella-Tag. Die Frau Mutter steht am Herd und kocht eine Reispfanne nach der anderen. Und zwar „Paella valenciana“; die einzig richtige Paella. Also mit in Olivenöl geschmortem Huhn und Kaninchen, dazu mit Tomate, Knoblauch, Safran und weissen und grüne Bohnen. Und mit spanischem Reis.

Auf keinen Fall, so sagt man hier, gehören Fische, Muscheln oder andere Meerestiere in eine richtige Paella. „Arroz con cosas“ − Reis mit Zeugs sei das; Touristen-Paella.

Auf der Mauer hocken Vögel und geiern nach meinem Essen. Immer wenn ich hinaufschaue machen sie einen auf niedliche Singvögel. Aber ich durchschaue die Viecher, ein Moment der Unaufmerksamkeit und die Raubvögel stürzen sich auf mein Mittagessen. Doch ich bleibe wachsam und esse schnell.

Es ist spätsommerlich mild. Wir sitzen den ganzen Nachmittag draussen und plaudern. Später kommen noch Mario und Ruth dazu. Ich kenne sie von früher. Sie wohnen im Sommer auf ihrem Boot und im Winter im Camping-Ferienhaus in Spanien.
Obwohl die ganze Touristenzone menschenleer aussieht, sind die Campingplätze dazwischen gut besucht. Viele Wohnmobil-Überwinterer aus England, Holland und vor allem aus Deutschland. Die meisten sind Rentner und dementsprechend unaufgeregt ist die Stimmung.
Doch alle machen einen sehr zufriedenen Eindruck und sind bester Laune. Es scheint zu gefallen. Vielleicht wäre das ja auch etwas für Frau G. und mich? Später, wenn wir auch alt sind.

29. November 2017

nach Valencia: Vilanova–Tarragona-Oropesa

Vilanova i la Geltrú. Mir kommt es vor, als sei ich schon lange unterwegs, doch dabei ist es erst der dritte Tag. Beim Frühstück sagt die Frau: «Nein, heute gibt es keines»! Gut, dass mein Zug erst um zehn losfährt und ich vorher noch ausgiebig die Cafeterìa de l'Estació heimsuchen kann.

Kurz nach zehn fährt mein Zug nach Tarragona los. Er wird zwar mit zehn Minuten Verspätung angezeigt, ist aber pünktlich. Der Zug ist ein Talgo; ein spanischer Zug mit einem sehr speziellen Fahrwerk. Die Räder befinden sich nicht unter, sondern zwischen den einzelnen Wagen. Geschmeidig wie ein Aal gleitet wir der Küste entlang; 160 km/h. Das Mittelmeer ist himmelblau. Das Land aber ist aber fast überall mit dämlichen Hotels und Ferienhäusern vollgeschissen − öööhm − dicht bebaut.

In Tarragona muss ich umsteigen und habe etwas Zeit für einen Stadtrundgang. Vom nahen Hügel aus kann ich den Bahnhof, den Hafen und das römische Amphitheater überblicken. Die Wintersonne scheint lauwarm und da und dort blühen noch, oder schon wieder Blumen.

Kurz vor zwölf geht es weiter; wieder ein Talgo. Doch diesmal reise ich in der preiswerten Touristenklasse. Wieder sehr bequem und sehr sanft. Wir schweben manchmal direkt am Mittelmeer entlang, meistens aber durchs hüglige Hinterland. Mandarinen-Bäume und sehr-sehr viel Umgebung. Ein paarmal halten wir in einer Stadt. Kaum jemand steigt ein oder aus, und mein Wagen bleibt fast leer.
Pünktlich um halb zwei landen wir in Oropesa del Mar. Draussen warten bereits meine Freunde Lucia und Peti auf mich. Sie wohnen für einigen Wochen hier in Oropesa auf einem Camping und geniessen den spanischen Spätherbst. Doch bevor wir zum Campingplatz fahren, ist jetzt erst einmal Fütterung angesagt. Ich entscheide mich für das Tagesmenü: Bunten Salat, eine Art Gemüse-Rührei und gebratenen Fisch mit salzigem Gemüse.
Die Palmen wedeln und das Meer wellt friedlich vor sich hin. Isch schön hier.

Auf dem Camping Oasis habe ich mir einen Bungalow reserviert. Es ist ein hübsches Holzhäuschen mit allem was man so braucht. Und Peti und Lucia haben alles für mich vorbereitet. Schlüssel, Bettwäsche und ein kanariengelbes Velo. Perfekt.
Wir machen gleich eine kleine Ausfahrt und ich schaue mir die Umgebung an. Gigantische Ferien-Wohnblocks reihen sich hier kilometerweit am Kiesstrand entlang; zehn Stockwerke hoch und jetzt im Winter nahezu unbewohnt. Und eine solche Ferien-Maschine steht direkt neben unserem Camping − und wirft finstere Schatten. Bereits kurz nach drei verschwindet die Sonne hinter dem Wohnblock. Fast wie zuhause.

Renfe Talgo 697, Vilanova-Tarragona, 1. Klasse € 7.10
Renfe Talgo 1111, Tarragona-Oropesa, 2. Klasse € 13.55

28. November 2017

nach Valencia: von Montpellier bis Vilanova

Montpellier. Es ist ein sonniger Morgen. Die Fassaden und dürren Palmen gegenüber leuchten goldgelb. Isch schön hier.
Ich bin frühzeitig am Bahnhof, da ich noch Billets aus dem Automaten ziehen muss. Ich habe einen Code, den ich jetzt in richtige Fahrkarten umwandeln sollte. Ein Eisenbahner hilft mir an den Automaten, denn es geht nur an den weissen Automaten, an den roten nicht.

Der Bahnhof Montpellier Saint-Roch sieht aus wie eine Kathedrale. Eine spektakuläre Stahl-Glas-Konstruktion überspannt die Warthalle im Obergeschoss. Viel Platz, viel Licht, viele Sitzgelegenheiten und schnelles WiFi - perfekt.

Pünktlich um 9:33 fährt mein AVE, ein spanischer Hochgeschwindigkeitszug, los. Er kommt aus Marseilles und fährt nach Madrid. Ich werde aber schon in Barcelona wieder aussteigen; Fahrzeit drei Stunden. Der Zug ist unglaublich leise und die Sessel sind zwar fragwürdig gemustert, aber wirklich bequem.

Schnell wie der Blitz sausen wir westwärts. Schon bald sehe ich das Mittelmeer. Zwischen Sete und Narbonne rasen wir durch die südfranzösische Seen- und Tümpellandschaft. Im schuhtiefen Wasser stehen Flamingos und schauen uns synchron nach.
Hinter Perpignan schiessen wir mit Vollgas in den Pyrenäen-Tunnel und sind schon wenige Minuten später in Spanien. Es ist sonnig und milde 21° warm.
Lange bevor Barcelona hübsch wird verschwinden wir in einem Tunnel. Kurz nach halb eins erreichen wir den unterirdischen Hauptbahnhof "Barcelona Sants". Hier muss ich umsteigen, denn ich will ja weiterhin an der Küste entlang fahren. Und dafür brauche ich auch noch eine Fahrkarte. Also hinauf in die Halle zur Info, dann an den richtigen Schalter und dann wieder hinunter in den Keller zur „Rodalies“. Ungeschickterweise hat man mir den falschen Bahnsteig genannt. Also wieder hinauf, noch einmal fragen und wieder hinunter. Dann kommt auch schon mein Zug.

Mit etwas Verspätung zockelt die Vorortbahn um halb zwei gemütlich aus dem Kellerbahnhof hinaus. Als wir auftauchen sind wir bereits am Stadtrand Barcelonas und durchqueren einfältige Hochhaussiedlungen und Industriegebiete. Nach und nach wird die Küstenlandschaft hübscher.

Um viertel nach zwei erreiche ich Vilanova i la Geltrú. Hierher komme ich eigentlich nur wegen der Bahnfahrt an der Küste entlang. Und wegen dem katalonischen Eisenbahnmuseum. Dass mir für den Museumsbesuch nur wenig Zeit bleibt, wusste ich. Doch wegen der Verspätung reicht es nun nicht mehr - das Museum schliesst in zehn Minuten. Egal, ich mag eh nicht schon wieder alte Lokomotiven anschauen.

Heute wohne ich im Hotel Gatell, nicht weit vom Bahnhof. Es ist recht hübsch und nett – das Hotel und das Froilein am Empfang.

Renfe/SNCF 9731, Montpellier-Barcelona, 1. Klasse € 36.-
Rodalies R2sud, Barcelona-Vilanova i la Geltrú, € 4.10

27. November 2017

nach Valencia: im Zug nach Südfrankreich

Es ist eiskalt und stockfinster auf dem Bahnhof Giswil. Bei jedem Halt steigen schläfrige Pendler in meine S5. Um 7:00 legt in Luzern der Interregio nach Genf ab. Es wird langsam Tag und in der Gegend von Sursee verkauft mir der Minibar-Mann ein Kaffee. Seltsamerweise ist der Kerl dem Namen nach vom Balkan; normalerweise sind das ja sonst immer Tamilen – verrückte Welt.


In Freiburg/Fribourg verlassen wir die Deutschschweiz. Merken tut man davon nichts, aber nun spricht der Zuglautsprecher zuerst französisch und erst danach deutsch. Kurz vor zehn landen wir pünktlich in Genève. Gazellengleich renne ich in grossen Sprüngen vom Gleis 2 ganz nach hinten zum Zoll und dann zum Gleis 7, wo grad mein Zug nach Valence einfährt.

Insgeheim hatte ich mich auf einen klassischen lokbespannten Zug gefreut, doch es ist bloss so ein Vorort-Lutscher. Ich ergattere aber einen netten Sitzplatz mit Tisch und Steckdose. Die Polster sind schon wieder blau und diesmal sogar richtig bequem. Pünktlich um 10:00 fährt der Zug − nicht los. Wir Passagiere bekommen zuerst ausgiebig Gelegenheit über die Pünktlichkeit und Fahrpläne im Allgemeinen zu sinnieren. Mit einer Viertelstunde Verspätung fahren wir dann doch los.
Der Zug ist überraschend zügig unterwegs. Die Landschaft fliegt nur so vorbei; Flüsse, Seen, Weinberge, Schneeberge. Schon in Annecy haben wir die Verspätung komplett aufgeholt.

Kurz vor Valence geraten wir dann noch in eine Baustelle; so dass ich schlussendlich mit zwanzig Minuten Verspätung im Bahnhof Valence TGV ankomme. Egal, ich habe ja eh eine Stunde Zeit zum Umsteigen.
Valence TGV ist ein neuer, moderner Bahnhof weit ausserhalb der Stadt. Hier kreuzen sich die Bahnlinien. Oben fahren die Busse und Regionalzüge und unten die TGV. Ab und zu donnert einer ohne Halt und mit über 200 km/h mitten durch den Bahnhof. So etwas habe ich noch nie gesehen − grauslig schön.

Kurz vor der Abfahrt meines TGV nach Montpellier wird zuerst 5, dann 20 Minuten Verspätung gemeldet. Dann 1 Stunde! Um 15:15 kommt dann ein etwas abgeschabter TGV Duplex angefahren und ich steige ein. Die letzte Etappe reist Monsieur Muger nun 1. Klasse, bei drei Euro Aufpreis konnte ich da nicht widerstehen. Die Sitze sind breit und weich und flauschig bequem.
Wir rasen pfeilgerade durch die südfranzösische Landschaft. Die Abendsonne leuchtet milchig wie in einem kitschigen Western. Um halb fünf − statt um halb vier − erreichen wir Montpellier. Mein Hotel ist gleich beim Bahnhof. Es ist alt und etwas abgewohnt, genau wie ich es gerne mag.

ZB S5 Giswil-Luzern
SBB IR 2510 Luzern-Genf, beide zusammen Fr. 40.- 
SNCF TER 96634 Genève-Valence, 2. Klasse
SNCF TGV 5331 Valence-Montpellier, 1.Klasse, zusammen € 40.45