30. Januar 2016

Zyperns gescheiterte Bemühungen

In einer ehemaligen Kraftwerkshalle mitten in der Altstadt von Nikosia ist jetzt das NiMAC, dem Nicosia Municipal Arts Centre (N35.1739, E33.3666). Uns gelüstet es uns jetzt gerade überhaupt nicht nach Kunstmuseum, aber das neuste Kunstwerk will ich mir doch ansehen.

Hoch oben an der Fassade hängt ein alter ausgedienter UN-Kontrollposten drohend über uns. An der Unterseite leuchten all die Nummern der UNO-Resolutionen wegen des jahrzehntelangen Zypernkonflikts. „Denkmal für gescheiterte Bemühungen“ nennen es die beiden Künstler Constantinos Kalisperas und Nicos Kouroussis.

An jeder Strassenecke stehen auch diese Kunstwerke - "ZNEN Joker" aus China. Man beachte das schier erotische Heck.

28. Januar 2016

Zypern: niemand zuhause in Nikosia

Die Grenze zwischen den beiden Zypern geht quer durch die Altstadt von Nikosia/Lefkoşa. Dazwischen liegt die UN-Pufferzone; ein komplett gesperrtes Gebiet mit unbewohnten Häusern und leeren Strassen. Die Querstrassen wurden einfach zugemauert oder mit Betonfässern und Stacheldraht verbarrikadiert.

Da und dort kann ich in dieses Niemandsland hineinschauen. Kriegsruinen, Gestrüpp und streunende Katzen. Dazwischen immer wieder Kontrolltürme der UN-Friedenstruppe.

Ausserhalb der Stadtmauer ist die Pufferzone breiter und die Wachtürme höher. Das ehemalige „Ledra Hotel“ (N35.1779, E33.3548) am westliche Stadtrand ist heute der Hauptsitz der UN-Truppen. Hier finden seit vierzig Jahren die Friedensverhandlungen statt. Die kommen zwar nur zähschleppend voran, doch haben sie immerhin einen weiteren Krieg verhindert. Und ein wichtiger Erfolg war die Grenzöffnung vor einigen Jahren; die wir in den letzten Tagen so ausgiebig nutzten.

Gegen Abend spazieren wir zurück in den Südteil der Stadt, nach Nikosia. Heute wohnen wir im „Delphi Hotel“ (N35.1709, E33.3593), direkt gegenüber vom Busbahnhof. Unser Zimmer Nummer 12 liegt im dritten Stock und hat einen Balkon, einen grummligen Kühlschrank und Sanatorium-Mobiliar. Es ist ein durch und durch ehrliches Hotel; ohne Schnickschnack, dafür optimal gelegen und preiswert.

27. Januar 2016

Zypern: die einzige geteilte Hauptstadt

Nikosia. Der Wind treibt Wolken über den tiefblauen Himmel und das Frühstücksbuffet ist keines. Unser Wirt überrascht uns stattdessen mit einem türkischen Frühstück. Danach zerren wir unser Gepäck zum Auto und fahren schnurstracks nach Süden. Unterwegs schauen wir noch Dinge an, dann erreichen wir die zyprische Hauptstadt Lefkoşa/Nikosia.

Wir überqueren am einzig möglichen Checkpoint „Metеhan“ (N35.1818, E33.3232) die Grenze und deponieren unseren Kia neben den Busbahnhof Nikosia. Die Staatsgrenze geht hier mitten durch die Altstadt.
Die Nordzyprer nennen ihren Teil „Lefkoşa“, die Zyprer „Nikosia“. Die Stadt ist somit die einzige geteilte Hauptstadt weltweit. Wie damals Berlin - nur dass Berlin nicht die Hauptstadt der BRD, sondern nur der DDR war.

Die Altstadt ist von einer mächtigen kreisrunden Festungsmauer mit elf Bastionen umgeben und einem Durchmesser von etwa 1,4 Kilometer. Wir schlendern durch die Gassen und geniessen das bunte Leben. Strassencafés, unzählige Kleider- und Schmuckläden und einige mittelalterlichen Kirchen. Bunt und vielfältig. Mehr als wir sehen können.

Mitten in der Altstadt kommen wir an die Grenze. Und da wir noch türkisches Geld übrig haben, wollen wir das im nordzyprischen Teil unter die Leute bringen. Passkontrolle, Niemandsland (N35.1749, E33.3615) und noch einmal Passkontrolle. Dann sind wir wieder drüben. Hier sind die laden Geschäfte etwas weniger nobel, dafür quellen sie über von Waren aller Art.

Die Selimiye-Moschee ist wieder eine umgebetete Kirche. Sie wurde im 13. Jahrhundert als Sophien-Kathedrale (N35.1765, E33.3643) gebaut und dreihundert Jahre später zur Moschee. Die islamische Gebetsrichtung ist schräg zum gotischen Kirchenraum. Die Gebetsnische befindet sich deshalb schräg im Seitenschiff.

Gleich neben der Selimiye-Moschee ist die grosse Markthalle (N35.1756, E33.3642). Heute ist nicht viel los, bloss die Gemüse- und Obsthändler haben auf. Wir schlendern durch das Gassengewirr, schauen uns die Büyük Han (N35.1763, E33.3626), eine uralte Karawanserei, die „venezianische Säule“ (N35.1781, E33.3609) und einige wunderschöne Altstadthäuser an.

Irgendwo bestellen wir eine Pide und ein Çay und geniessen die Sonne und den milden Wind. Unser Kellner ist ein fleischiger Junge. Er zeigt uns stolz seine Kanarienvögel und erzählt, dass er den kühlen Winter schon möge, aber dennoch die Sommerhitze nicht missen möchte.

26. Januar 2016

Zypern: Frieden und Freiheit

Girne liegt an der Nordküste Zyperns und erweist sich als eine quirlige und farbige Hafenstadt. Wir finden einen Parkplatz am Rande der Altstadt und schlendern zum Hafen hinunter. Um den halbrunden Hafen herum stehen zahlreiche Restaurants und Kneipen. Rechts davon bewacht eine kolossale Festung die Hafeneinfahrt. Hier gefällt es uns sofort.

Wir schauen uns die Schiffe an und spazieren durch die Gassen. Die Konditoreien hält buntes Naschwerk feil, im Schatten der Bäume sitzen die Männer beisammen, trinken Tee und spielen Tavla. Die Tauben gurren leise.

Blauer Himmel, blaues Meer und eine tolle Meze. Ein perfekter Tag, was möchte man mehr haben? Übrigens; der frittierte Käse, der Paprikasalat im Vordergrund und der Bulgur ganz hinten schmeckten am Besten. Aber auch das Börek mit Spinat-Pfefferminz-Füllung war toll. Und der flutschige Auberginensalat rechts vorne auch.

Etwa zehn Kilometer westlich der Stadt, ganz in der Nähe der Bucht, wo 1974 die türkische Invasion begann, befindet sich heute der „Karaoğlanoğlu Şehitliği“. Eine Gedenkstätte (N35.3441, E33.2423) und zugleich Ehren-Friedhof für siebzig türkische Soldaten. Eine martialische und bedeutungsschwangere Anlage.

Gleich daneben zeigt das „Frieden und Freiheit“ Museum rostige Panzer und deformiertes Kriegsgerät, das die türkischen Armee bei der Invasion 1974 erbeutet hat. Das Ganze wirkt, zumindest für uns, irgendwie gewöhnungsbedürftig.

Zwei türkische Soldaten bewachen die Anlage, indem sie friedlich im Schatten der Bäume sitzen und rauchen. Einer erzählt uns, dass er aus Südost-Anatolien stamme und den letzten Teil seines Militärdienstes hier in Nordzypern verbringe. Und in genau einhundert Tagen seine Dienstpflicht erfüllt sei und er nachhause dürfe. Er freue sich auf die neue Freiheit.
Bis lange nach Sonnenuntergang sitzen wir in einem Hafen-Café und geniessen die Stimmung, und diverse Getränke.

Wir nächtigen im „Harbour Scene Hotel“ (N35.3417, E33.3186) fast direkt am Hafen. Wir bekommen ein richtig schönes Zimmer, wo alles funktioniert. Wo Strom und Heizwärme aus der Wand fliessen. Und nettes Internet.

25. Januar 2016

Zypern: glücklich wer ein Türke ist

Heute heisst Famagusta eigentlich Gazimağusa. Aber wie dem auch sei; schon früh scheint die Morgensonne in unser Zimmer. Die Wärme tut gut, denn gestern Abend hat unsere Heizung aufs Mal laut gegrunzt - und ist dann verstorben.
Heute ist das Frühstücksbuffet bloss ein Esstisch mit ganz frischem Brot, Gurken, Oliven, Käse, Honig und alldem darauf, was zu einem richtigen türkischen Frühstück gehört.

Wir fahren zeitig los. Geplant haben wir für heute nichts, ausser das Etappenziel Girne, an der Nordküste. Mal schauen, was der Tag so bringt?
Zuerst rollen wir gemütlich rund um die mittelalterlichen Festungsmauern und dann etwas nördlich der Stadt zu den Ruinen von "Salamis" (N35.1867, E33.9037). Irgendwie ist es uns beiden so früh am Tag noch nicht um alte-Steine-gucken, aber der Name Salami war halt schon verlockend. Wir spazieren ein wenig am Strand entlang und schauen nach, ob die Fischer schon was gefangen haben. Nö, nix.

Nun geht es quer über die fruchtbare Mesaoria-Ebene. Dann halten wir uns rechts und fahren auf einen Pass (N35.2802, E33.4667) auf den Beşparmak-Berge hinauf. Von hier oben sehen wir bereits das Meer, doch ein kleines Berg-Strässchen lockt uns ins Unbekannte. Schmal und eng windet es sich am Abgrund entlang. Eine karge und einsame Berglandschaft.

Nach etwa sieben Kilometer Fahrt sehen wir weit oben auf einer Felsnase die Burg Buffavento (N35.2872, E33.4096) aus dem 10. Jahrhundert. Wir schauen hinauf und wundern uns, warum man damals die Burg auf den Berggipfel baute? Da oben kommt ja eh nie einer vorbei.

Kurz darauf kommen wir zum ehemaligen Kloster „Panayia Apsinthiotissa“ (N35.2838, E33.3890). Das Kloster wurde ums Jahr 1100 gebaut und wird seit dem Krieg von 1974 als Ziegenstall genutzt.

Ganz in der Nähe ist eine Kaserne der türkischen Armee und am Berghang eine gigantische Nordzyprische Flagge (N35.2828, E33.3774); so gross, dass man sie auch von der Hauptstadt aus sehen kann.
Ich würde sie gerne von ganz nahem anschauen, aber die Armee will das nicht. Neben der Berg-Malerei steht in riesigen Lettern geschrieben: „Ne mutlu Türküm diyene“ – glücklich wer ein Türke ist.